Mai 30 2010
Neue photographische Arbeit
Wellen formen natürliche Strukturen im Sand.
Jan 30 2010
Der Kunstcharakter der Fotografie war lange Zeit umstritten; zugespitzt formuliert der Kunsttheoretiker Karl Pawek in seinem Buch „Das optische Zeitalter“ (Olten/Freiburg i. Br. 1963, S. 58): „Der Künstler erschafft die Wirklichkeit, der Fotograf sieht sie.“
Dass diese Auffassung auf der populärwissenschaftlichen Verkürzung verfahrenskonstanter fotografischer Prozesse als künstlerisch invarianten und empirisch-intersubjektiv unanfechtbaren Gegenstandsabbildungen beruht, wird in mehrfacher Weise deutlich: 1. W.J.T. Mitchell schreibt in seinem Werk Bildtheorie: „die Erfindung eines Apparates zum Zwecke der Produktion … (perspektivischer) Bilder hat ironischerweise die Überzeugung … verstärkt, dass es sich hierbei um die natürliche Repräsentationsform handele. Offenbar ist etwas natürlich. wenn wir eine Maschine bauen können, die es für uns erledigt.“ (W.J.T. Mitchell: Bildtheorie, FFM, 2008. S. 63.). 2. Schon in Texten des 19. Jahrhunderts wurde auf den Kunstcharakter der Fotografie hingewiesen, der auf einer ähnlichen Verwendungsweise der Technik wie andere zeitgenössische grafische Verfahren (Aquatinta, Radierung, Lithografie …) beruht. Damit figuriert Fotografie als künstlerische Technik, mit Hilfe derer ein Fotograf eigene Bildwirklichkeiten erschafft (Kemp, Wolfgang: Theorie der Fotografie. München 2006). 3. Maler des 19. Jahrhunderts benutzten die Fotografie zur Bildfindung und Gestaltung, als künstlerisches Entwurfsinstrument für malerische Werke (Delacroix).
Auch der Fotograf Henri Cartier-Bresson, selbst als Maler ausgebildet, sah die Fotografie nicht als Kunstform, sondern als Handwerk: „Die Fotografie ist ein Handwerk. Viele wollen daraus eine Kunst machen, aber wir sind einfach Handwerker, die ihre Arbeit gut machen müssen.“ Gleichzeitig wurden gerade Cartier-Bressons Fotografien sehr früh in Museen und Kunstausstellungen gezeigt, so zum Beispiel in der MoMa-Retrospektive (1947) und der Louvre-Ausstellung (1955). Darüber hinaus nahm er für sich das Bildfindungskonzept des entscheidenden Augenblickes in Anspruch, das ursprünglich von Gotthold Ephraim Lessing dramenpoetologisch ausgearbeitet wurde. Damit bezieht er sich unmittelbar auf ein künstlerisches Verfahren zur Produktion von Kunstwerken. Cartier-Bresson’s Argumentation dient also einerseits der poetologischen Nobilitierung, andererseits der handwerklichen Immunisierung gegenüber einer Kritik, die die künstlerische Qualität seiner Werke anzweifeln könnte.
Fotografie wurde bereits früh als Kunst betrieben (Julia Margaret Cameron, Lewis Carroll und Oscar Gustave Rejlander in den 1860ern). Der entscheidende Schritt zur Anerkennung der Fotografie als Kunstform ist den Bemühungen von Alfred Stieglitz (1864–1946) zu verdanken, der mit seinem Magazin Camera Work den Durchbruch vorbereitete.
Erstmals trat die Fotografie in Deutschland in der Werkbund-Ausstellung 1929 in Stuttgart in beachtenswertem Umfang mit internationalen Künstlern wie Edward Weston, Imogen Cunningham und Man Ray an die Öffentlichkeit; spätestens seit den MoMA-Ausstellungen von Edward Steichen (The Family of Man, 1955) und John Szarkowski (1960er) ist Fotografie als Kunst von einem breiten Publikum anerkannt, wobei gleichzeitig der Trend zur Gebrauchskunst begann.
Im Jahr 1977 stellte die documenta 6 in Kassel erstmals als international bedeutende Ausstellung in der berühmten Abteilung Fotografie die Arbeiten von historischen und zeitgenössischen Fotografen aus der gesamten Geschichte der Fotografie in den vergleichenden Kontext zur zeitgenössischen Kunst im Zusammenhang mit den in diesem Jahr begangenen „150 Jahren Fotografie“.
Heute ist Fotografie als vollwertige Kunstform akzeptiert: Indikatoren dafür sind die wachsende Anzahl von Museen, Sammlungen und Forschungseinrichtungen für Fotografie, die Zunahme der Professuren für Fotografie sowie nicht zuletzt der gestiegene Wert von Fotografien in Kunstauktionen und Sammlerkreisen. Zahlreiche Gebiete haben sich entwickelt, so die Landschafts-, Akt-, Industrie-, Theaterfotografie und andere mehr, die innerhalb der Fotografie eigene Wirkungsfelder entfaltet haben. Daneben entwickelt sich die künstlerische Fotomontage zu einem der malenden Kunst gleichwertigen Kunstobjekt.